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Berlin, Konzerthaus: WIENER PHILHARMONIKER, 04.05.2017

Erstellt von Kaspar Sannemann | | Beethoven, 3. Klavierkonzert

Bilder: K. Sannemann, 4.5.17

Ludwig von Beethoven: Klavierkonzert Nr. 3 in c-Moll | Uraufführung: Uraufführung: 5. April 1803 in Wien | Anton Bruckner: Sinfonie Nr. 4 in Es-Dur | Uraufführung: 20. Februar 1881 in Wien | Dieses Konzert in Berlin: 4.5.2017

Kritik:

Bruckners wohl am häufigsten aufgeführte Sinfonie, seine „Romantische“, wurde 1881 von den Wiener Philharmonikern unter der Leitung von Hans Richter uraufgeführt – und nun, 136 Jahre später, gastierte ebendieser Klangkörper mit dieser Sinfonie im Konzerthaus Berlin. Am Pult stand der bald  90jährige Herbert Blomstedt – der erst 2011 erstmals die Wiener Philharmoniker dirigierte, seither aber regelmäßig bei ihnen zu Gast ist. Blomstedt ist ja ein anerkannter Bruckner-Experte (er dirigierte die Sinfonie gestern Abend auswendig), für seine Gesamtaufnahme der Sinfonien Anton Bruckners mit dem Gewandhausorchester Leipzig erhielt er den renommierten International Classical Music Award. Nur schon das Tremolo der Streicher, über welchem sich der romantische Hornruf erhebt, hatte es in sich, denn sofort versank man konzentriert im Brucknerschen Klangkosmos, wurde hineingerissen in den an- und abschwellenden Strudel der spätromantischen Klangpracht. Herbert Blomstedt und die an allen Pulten restlos überzeugend und grandios aufspielenden Wiener Philharmoniker vermochten die Gefühle der Erhabenheit in den überwältigend crescendierenden Tutti-Passagen genauso plastisch zu evozieren, wie das Versinken in introvertiertere Abgründe. Blomstedt schreckte nicht davor zurück, die abrupten forte-piano Wechsel effektsicher auszuspielen, auch mal ziemlich „unromantisch“ an der Dezibel-Lärmgrenze zu kratzen, und dabei doch immer auf die gebotene Transparenz des Gesamtklangs achtend. Wunderbar das hell strahlende Blech, die fein ziselierten Passagen der Holzbläser, der satte und präzise Streicherklang, der besonders von den herrlich warm singenden Bratschen im Trauermarsch ähnlichen zweiten Satz zur Geltung kam. Berührend gestalteten das Orchester und der Dirigent das Ende dieses wunderschönen Andantes mit der verschiedene Instrumente durchlaufenden Kantilene des Horns, dem Verklingen in der Pauke und den Streichern.  Beschwingt erklang danach das Scherzo mit dem prägnanten Jagd-Motiv, das sich später quasi aus Splittern wieder zu seiner gesamten Größe aufbaute, immer wieder konfrontiert mit einem sehr schön gestalteten Chiaroscuro-Effekt und dem gediegen und anmutig daherkommenden Trio. Schlicht überwältigend bauten Blomstedt und die Wiener Philharmoniker die überragende Architektur des Finalsatzes auf, schufen eine Welt der Größe und der Erhabenheit, bündelten die jubelnden Klangwogen, sanken zurück ins beinahe Unhörbare, um mit der Wucht des Blechs wieder emporzusteigen und rauschhaft eskalierend dem Ende zuzustreben. Verdienter Jubel des Publikums nach 70 Minuten Hochspannung und Hochgenuss.

Bei der Programmgestaltung eines Konzerts mit einer Bruckner-Sinfonie steht man ja immer vor der Frage: Welches Werk stellt man dem gewaltigen „Brocken“ der Sinfonie vor der Pause voran? Die Wiener Philharmoniker entschieden sich für Beethovens drittes Klavierkonzert – eine exzellente Wahl, welche natürlich bestens in den Zyklus aller Beethoven-Klavierkonzerte zu Ehren Alfred Brendels passte, dem die zehntätige Hommage im Konzerthaus Berlin (sie dauert noch bis zum 7. Mai) gewidmet ist. Mit Kit Armstrong spielte ein Schüler Brendels den Solopart. Fast schüchtern betrat der 25jährige, schlanke Pianist das Podium, neben den ihn um einen Kopf überragenden Dirigenten Blomstedt. Zwischen den beiden liegen knapp drei Generationen – doch das Zusammenspiel wurde zu einem Ereignis. Nach der zum Dahinschmelzen schön gespielten, langen Einleitung durch das Orchester setzte Kit Armstrong mit spannungsgeladenem Spiel ein, weich und subtil abgestuft im Anschlag in den lyrischeren Passagen, bestechende Läufe mit vibrierender Attacke ausgeführt, „singend“ die Linie findend auch in den vertracktesten Solostellen, herrlich das Hauptthema mit der linken Hand ausführend in der Kadenz, majestätisch in den zupackenden Akkorden, filigran, präzise und zart in den umschmeichelnden Läufen, Kantilenen und Trillern. In diesem Moment war es im Saal mäuschenstill. Kit Armstrongs Lehrer und Mentor Alfred Brendel attestierte seinem Schüler einmal „Verständnis der großen Klavierliteratur als eine Einheit von Gefühl und Verstand, Frische und Verfeinerung.“  Und tatsächlich, dieses Erforschende, tief Empfundene brach in der Interpretation Armstrongs immer wieder durch, besonders ausgeprägt natürlich im Largo, wo er in den Eingangstakten die ritardandi fast bis zum Zerreißen ausreizte. Auch Blomstedt folgte ihm in diesem breiten Tempo, was zur Folge hatte, dass man zum Beispiel die zarten Triller der Flöte wunderbar und glasklar hören konnte, eine klangliche Transparenz sondergleichen erzielt wurde. Markig dann der Einstieg ins Rondo des Finales - tänzerisch, nur beschränkt lieblich und schon gar nie süßlich erklang dieser beschwingte Satz. Wie auch schon im ersten Satz erhielt die Pauke (dies eine Innovation Beethovens) auch im dritten Satz einen prominenten Platz.

Als Zugabe wählte Kit Armstrong den langsamen Satz aus Mozarts c-Moll Suite – eine kluge Wahl. Nicht nur blieb er damit in der Tonart des Beethoven-Konzerts und stellte die Verbindung Beethovens zu seinem Vorbild Mozart her, Armstrong konnte mit diesem Stück nochmals seine Gabe der tief empfunden Reflexion präsentieren, das Erforschen von Gefühlen der Trauer, ohne ins Sentimentale abzugleiten. Kein pianistisches Bravourstück also – sondern eine Einkehr ins Innere, mit subtiler Empfindung gestaltet. Wunderbar!

Kit Armstrong wird auch heute und morgen nochmals im Konzerthaus zu erleben sein, mit Beethovens Klavierkonzert Nr. 2 zusammen mit dem Konzerthausorchester. Er wird nämlich kurzfristig für Till Fellner einspringen!

Und noch ein Hinweis: Aus Anlass des 90. Geburtstages von Herbert Blomstedt am 11. Juli 2017 veröffentlicht Accentus Music eine CD Box mit sämtlichen Sinfonien Beethovens, eingespielt zwischen Mai 2014 und März 2017 mit dem Leipziger Gewandhausorchester, dem Blomstedt von 1998 bis 2005 als Chefdirigent vorstand. Die Zusammenarbeit mit diesem deutschen Spitzenorchester pflegt Herbert Blomstedt als dessen Ehrendirigent weiterhin. In diese Box eingebunden sind auch DVD/BluRay Aufnahmen der Beethoven-Sinfonien 5,6,7 und 9.

Für Musik- und Beethoven-Freunde wird insbesondere der Vergleich mit Blomstedts Gesamtaufnahme dieser Sinfonien zusammen mit der Sächsischen Staatskapelle Dresden interessant sein, welche vor über 30 Jahren entstand.

 

Werke: Ludwig von Beethovens (1770-1827) drittes Klavierkonzert ist sein einziges in einer Moll-Tonart. Vorbild könnten Mozarts KV 466 und KV 491 gewesen sein, die Beethoven gut kannte und bewunderte, aber selbstverständlich in keiner Weise kopierte, denn Beethovens drittes Klavierkonzert geht völlig eigene, neue Wege, insbesondere im Dialog zwischen Soloinstrument und Orchester, mit seinen ausgereiften Passagen von Rede und Gegenrede. In einem langen Ritornell beginnt das Orchester den ersten Satz. Es dauert, bis das Pianoforte endlich zu reden beginnt. Dann beginnt der abwechslungsreiche Dialog zwischen den beiden. Das Largo des zweiten Sates hat etwas beinahe Mystisches. Beethoven breitet die Tonart E-Dur prominent aus, mit Grösse, aber auch mit innerer Ruhe. Brillant gehalten ist der dritte Satz, ein Rondo (Allegro), in dem auch mal ein kleines Fugato als Überleitung aufblitzt. Der prächtige Satz schliesst nach der Kadenz des Solisten mit einer Coda (Presto) in strahlendem C-Dur.

Anton Bruckner (1824-1896) 4. Sinfonie

Wie bei den meisten seiner neun Sinfonien nahm Bruckner auch bei der vierten nach der ersten Fertigstellung der Komposition noch diverse Änderungen vor. So komponierte er z.B. das Scherzo völlig neu und überarbeitete später auch das Finale noch einmal. Immerhin kann man bei der vierten – im Gegensatz etwa zur dritten oder achten Sinfonie – ab 1880 doch von einer endgültigen Version sprechen. Diese Sinfonie des Meisters (wegen des darin beschriebenen beinahe paradiesischen Verhältnisses des Menschen zur Natur und des häufigen Einsatzes des Hornklangs auch vom Komponisten die „Romantische“ genannt) wurde vom Publikum von Anfang an sehr wohlwollend aufgenommen und gehört immer noch zu den beliebtesten Sinfonien Bruckners. In der Geschichte der Bruckner Rezeption ist sie auch insofern von Bedeutung, da sie als erste auf Schallplatte aufgezeichnet wurde, 1937 von Karl Böhm. Die viersätzige Sinfonie in Es-Dur hat eine Aufführungsdauer von knapp 70 Minuten. Auffallend sind die weichen Passagen des Blechs, die chorische Behandlung der Holzbläser, das für Bruckner typische Tremolo der Streicher und die grossangelegte Schlussteigerung. Am Anfang des Scherzos zitiert Bruckner die Einleitung zum zweiten Akt aus Wagners TRISTAN UND ISOLDE.

Karten

 

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