Aarhus, Teater: EVITA, (Voraufführung), 01.05.2023
Musical in zwei Akten | Musik: Andrew Lloyd Webber| Text: Tim Rice | Uraufführung: 21. Juni 1978 in London | Aufführungen in Aarhus: 3. Mai bis 10. Juni 2023
Kurzkritik
Die Begeisterung, welche das Musical EVITA des Erfolgsduos Andrew Lloyd Webber/Tim Rice auch knapp 50 Jahre nach der Uraufführung immer noch auszulösen vermag, spricht für die exzeptionelle Qualität des Stücks, das eine perfekte, dramaturgisch exzellent gearbeitete Balance zwischen Rührstück, historisch fundiertem Lehrstück und ironischer Distanz findet, gespickt mit unverwüstlichen und hervorragend komponierten Ohrwürmern. Die Begeisterungsstürme brandeten auch am Ende dieser Voraufführung im Aarhus Teater auf (Premiere ist dann am 3. Mai), steigerten sich zu einer verdienten Standing Ovation. Die hatten sich die Ausführenden auf, über (die Musiker*innen) und hinter der Bühne auch verdient. Natürlich verfügt ein kleineres Theater (wie dieses Jugendstil Schmuckstück in Aarhus) weder über die aufwändigen technischen noch über die finanziellen Möglichkeiten einer Bühne am Broadway oder im Londoner West End, wo die Produktionen teils jahrelang ununterbrochen laufen können. Aber das Aarhus Teater muss sich mit dieser EVITA - Inszenierung keineswegs verstecken, ja es weiss die Intimität und die technischen Limiten gar zu seinem Vorteil zu nutzen. Die Zuschauer*innen fühlen sich sofort mittendrin und in die Story um Eva Duarte, der späteren Präsidentengattin von Juan Perón, hineingezogen. Die Inszenierung von Sara Cronberg im Bühnenbild und den Kostümen von Franciska Zahle und mit der stupenden Choreografie von Melker Sörensen hat Tempo, Präzision, Poesie und auch etwas Schalk. Denn die Figur des Che ist nicht etwa an Che Guevara angelehnt (wie in der Produktion, welche ich 1979 in San Francisco sah), sondern ist hier ein echter Che, also ein Junge, ein Kumpel von nebenan, ja ein eigentlicher Jedermann, der mit seinem mal zynischen, mal ironischen Blick des Betrachters eine gekonnte (und von den Autoren intendierte) Distanz zum Geschehen schafft. Emil Prenter verkörpert ihn mit heller, leicht und präzise ansprechender Stimme und lebhaft variierten Auftritten. Gerade dadurch, dass das Werk inklusive der Songtexte in einer dänischen Übersetzung durch Kenneth Thordal gespielt wird, entsteht eine unmittelbare Nähe zum Publikum. In der Titelrolle zeigt Sara Viktoria Bjerregaard die vielschichtige Persönlichkeit Eva Peróns, vom Volk liebevoll Evita genannt. Sara Viktoria Bjerregaard ist der ambitionierte Teenager aus der Pampa, der sein Glück in der Großstadt machen will, ist die voll auf ihre verführerischen Reize setzende der junge Frau, die dem Luxus nicht abholde Präsidentengattin, die wohltätige, großherzige Politikerin und am Schluss die durch ihr Gehirnkarzinom viel zu früh ihr warmes Licht verlöschende Menschin. Wie Sara Viktoria Bjerregaard dies alles über die Rampe bringt und dazu noch so rein und ergreifend singen kann, lohnt allein schon den Besuch einer Vorstellung in Aarhus. Morten Hemmingsen ist ein gekonnt ehrgeiziger, sich im politischen Dreckstümpel behauptender Perón, der seine Gefühle oftmals unter der harten Schale versteckt. Lars Mølsted zeichnet als Augustín Magaldi Ein differenziertes Porträt eines Musikers aus der Provinz, den es auch in die Großstadt verschlägt, und Mitleid bekommt man mit der von Amanda Friis Jürgensen einfühlsam verkörperten jungen Geliebten Peróns, die von Evita so gnadenlos vor die Tür gesetzt wird, als Evita deren Platz an der Seite Peróns einzunehmen gedenkt. Das hervorragend tanzende und singende Ensemble bereichert auf der Bühne das Geschehen, die Musiker*innen sind im hinteren Bühnenbereich auf einer Empore platziert und liefern einen fantastischen Sound, der nie übersteuert ist.
Fazit: SEHENSWERT *****
Inhalt:
Das Musical schildert das Leben der „Evita“ genannten Maria Eva Duarte de Perón. Zweite Hauptperson ist Che (dt. „Bursche“ oder „Junge“), ein Vertreter des argentinischen Volkes. (Titel der einzelnen Songs in Klammern).
1. Akt:
Das Musical beginnt am 26. Juli 1952 in Buenos Aires. Ein junger argentinischer Student, Che, besucht eine Kinovorstellung. Der laufende Film wird durch die Ankündigung unterbrochen, dass Eva Perón, „die geistige Führerin der Nation an diesem Tag um 20.25 Uhr in die Unsterblichkeit eingegangen ist“ (Ein Kino in Buenos Aires, 26. Juli 1952). Die Zuschauer sind erschüttert (Requiem für Evita). Che ist als einziger ein Außenstehender. Zynisch beschreibt er die Trauer, die Argentinien durch den Tod Evitas gepackt hat (Was für ein Zirkus).
Evita blickt auf ihr Leben zurück (Wein’ nicht um mich Argentinien – in neueren deutschen Inszenierungen an dieser Stelle auch oft auf Spanisch gesungen: No llores por mi Argentina).
Che führt die Zuschauer zurück in das Jahr 1935 nach Junín, Evas Heimatstadt. Als Fünfzehnjährige trifft sie dort den Tangosänger Agustín Magaldi (Diese Nacht ist so sternenklar) und hat ihre erste Liebesaffäre mit ihm. Sie erpresst Magaldi, sie mit nach Buenos Aires zu nehmen (Eva, geh nicht in die Großstadt).
Bei ihrer Ankunft erzählt Eva von ihren Hoffnungen und Ambitionen (Buenos Aires). Nachdem sie erkannt hat, dass Magaldi verheiratet ist und ein Kind hat, verlässt sie ihn. Che erzählt, dass sie danach viele Liebhaber hat. Jeder einzelne von ihnen hilft ihr einen Schritt weiter auf der Leiter, die zu Ruhm und Reichtum führte (Adios und Danke). Mit ihrer Schönheit und Gewandtheit wird sie Model, Radio-Star und Schauspielerin. Che deutet an, dass sich die Politik in Argentinien und Evas Karriere bald verbinden werden (The Lady’s Got Potential – in Inszenierungen ab 1976 wird dieser Song üblicherweise durch das nächste Lied ersetzt). Zur gleichen Zeit bekämpft Colonel Juan Domingo Perón Mitglieder seiner politischen Partei, um selbst an die Spitze zu kommen (Das Handwerk des Möglichen).
Beim Besuch eines Wohltätigkeitskonzerts für die Opfer eines Erdbebens in San Juan trifft Eva Magaldi erneut. Juan Perón spricht zu der Menge. Als er die Bühne verlässt, trifft er Eva. Bei einem geheimen Rendezvous nach dem Konzert erkennen beide, dass sie sich gegenseitig nützlich sein können (Ich wäre wirklich gut für dich).
Von diesem Moment an hat Eva auch politische Ambitionen. Sie wirft Peróns Geliebte aus dessen Wohnung (Du nimmst den Koffer wieder in die Hand) und tritt in sein Leben.
Eva steigt mit Perón in die höheren gesellschaftlichen Kreise Argentiniens auf. Che zeigt die Verachtung der Feudalaristokratie für Eva und den männlichen Chauvinismus der argentinischen Militärs. Beide Gruppen werden bis zu ihrem Tod gegen sie arbeiten (Fort mit dem Weib). Mit Unterstützung der Arbeiter und Bauern, deren Loyalität Eva und Perón schon lange durch intensive Kontakte mit den Gewerkschaften gepflegt haben, werde es gelingen, dass Perón zum Präsidenten gewählt wird (Wach auf Argentinien).
2. Akt:
Perón hat bei seinem Kampf um die Präsidentschaft einen Sieg errungen. 1946 steht er auf dem Balkon der Casa Rosada und spricht zu seinen „Descamisados“ (die Hemdlosen) genannten Anhängern. Danach wendet sich Evita an die Menge. Sie blickt auf ihr bisheriges Leben und auf ihren Aufstieg zu Ruhm und Macht zurück und bittet das Volk bzw. das Land, weiter an ihre Liebe zu Argentinien zu glauben. Don't cry for me, Argentina .
Bei dem Ball zur Amtseinführung tanzt Eva mit dem gewählten Präsidenten Perón. Che erzählt von dem Preis des Ruhms (Jung, schön und geliebt).
Um die Bürger Argentiniens zu beeindrucken und den Peronismus zu fördern, beschließt Eva, ihr Image müsse glamouröser werden. Sie bereitet eine Tour durch Europa vor und lässt sich von Modespezialisten beraten. Erfolg und Misserfolg der Regenbogentour von 1946 sind historisch belegt: Die Spanier bewundern sie, die Italiener vergleichen sie mit Mussolini, die Franzosen sind unbeeindruckt, die Engländer brüskieren sie durch eine Einladung in ein Landhaus anstatt in den Buckingham Palace (Regenbogen-Tour).
Nach ihrer Rückkehr aus Europa trotzt Eva der wachsenden Kritik der Oberschicht Argentiniens (Ich spiele meine Rolle nicht wie’s euch gefällt). Che erinnert sie daran, den Menschen in Not zu helfen – so wie sie es versprochen hat. Sie gründet die „Eva-Perón-Stiftung“. Che beschreibt den Widerspruch zwischen Evas Wohltätigkeitsarbeit und den Methoden, Geld zu beschaffen (Spendengelder fließen). Evitas ergebene Anhänger sehen sie als moderne Heilige (Santa Evita).
In anderen Gesellschaftskreisen wächst die Kritik an der Präsidentengattin. Evita strebt zur Absicherung ihrer Position die Vizepräsidentschaft des Landes an, die Generäle verhindern das aber. Perón verteidigt sie und enthüllt, dass Evitas Gesundheit angeschlagen ist (Ein strahlender, heller Stern – Wie ein Diamant).
Evita und Che diskutieren die Handlungen Evitas (Walzer für Evita und Che). Che ist enttäuscht wegen Evitas selbstsüchtigen Verhaltens. Eva erwidert, dass die Rettung der Probleme der Welt keinen Ruhm bringt. Sie besteht darauf, weiterzumachen, obwohl ihre Gesundheit schwindet.
Am Ende ihres Lebens versteht Eva, dass Perón sie um ihrer selbst willen liebt und nicht deswegen, was sie für ihn und seine Karriere tut. Die sterbende Evita erkennt, dass sie nicht mehr lange leben wird und schwört ewige Liebe zu den Argentiniern (Evas letzte Rundfunkansprache). Vor ihrem geistigen Auge sieht Eva, was sie in ihrem Leben erreicht hat; sie bittet um Vergebung, dass sie den Ruhm einem langen Leben und dem Erziehen von Kindern vorgezogen hat (Lament )
Eva stirbt und ihr Körper wird einbalsamiert. Che erzählt, dass ein Mausoleum für Eva errichtet werden sollte, jedoch nur der Sockel gebaut wurde. Die Leiche Evitas wird außer Landes gebracht und bleibt 17 Jahre lang verschwunden. Quelle: Wikipedia