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Frankfurt, Oper: GIULIO CESARE IN EGITTO, 24.03.2024

Erstellt von Kaspar Sannemann | | Giulio Cesare in Egitto

Copyright aller Bilder: Monika Rittershaus, mit freundlicher Genehmigung Oper Frankfurt

Pretty Yende und Lawrence Zazzo in Händels Meisterwerk über eines der bekanntesten Liebepaare der Geschichte: Caesar und Cleopatra

Dramma in musica in drei Akten | Musik: Georg Friedrich Händel | Libretto: Niccolò Francesco Haym, nach einer Librettovorlage von Busani | Uraufführung: 20. Februar 1724 in London | Aufführungen in Frankfurt: 24.3. | 29.3. | 6.4. | 11.4.| 14.4. | 20.4. | 27.4. | 4.5. | 8.5. | 10.5. | 18.5.2024

 

Kritik: 

ATEMBERAUBENDE VIRTUOSITÄT - MIT TIEFGANG

Ein perfekt aufeinander abgestimmtes, stimmliche Höchstleistungen vollbringendes Ensemble machte diese Händeloper zum Ereignis. Man lauschte voller Spannung - quasi auf der Sitzkante verharrend - diesen wunderbar geführten Stimmen, die mit ihrer ausgefeilten Gesangstechnik den seelischen Befindlichkeiten ihrer jeweiligen Rolle nachspürten. Da wurde einem keine der vielen Da-capo-Arien zu lang, weil jede dieser Arien nicht als stimmprotzerisches Vehikel sängerischer Eitelkeiten genutzt wurde, sondern eine reichhaltige Palette an Obsessionen, Sehnsüchten und Abgründen offenbarte. Lawrence Zazzo gab einen Giulio Cesare jenseits alles Heroischen. Er war von Anfang an ein von inneren Stimmen getriebener. Von Stimmen, die ihm Ruhm verhiessen, ihn einreihten in die Reihe der römischen Heldenbüsten, welche in diesem Museum, in welchem Regisseurin Nadja Loschky die Handlung spielen liess, zu sehen waren. Zazzo ließ seinen Countertenor wunderbar weichfließend erklingen, begeisterte mit stupenden Koloraturen und berührender Gestaltung. Ein überaus mild gestimmter, manchmal gar unbeholfen tapsiger “Kriegsheld”, der in den Fängen Cleopatras zu Wachs wurde. Als Cleopatra zog Pretty Yende bei ihrem Rollen- und Hausdebüt in Frankfurt alle Register ihres überragenden Könnens: Die in Belcanto-Partien wie Lucia di Lammermoor, Amina in der SONNAMBULA oder Elvira in I PURITANI weltweit gefeierte Sopranistin bewies mit herrlicher Tongebung, “Schöngesang” und geschmackvollen Ausschmückungen, dass sie auch in der Musik des Barocks bombensicher zu Hause ist. Ihre Arie Giusto Ciel am Ende des zweiten Aktes war zum Dahinschmelzen schön und voll inniger Intensität. Die Gattin von Cesares römischem Gegenspieler Pompeius, Cornelia, wird gleich zu Beginn der Oper mit dem blutüberströmten und ihr in einer Glasvitrine präsentierten Torso ihres Gatten konfrontiert. Ihre Trauer schlägt in Rachgedanken und starke Entschlossenheit um. Cláudia Ribas ergründete diese tragische Frauenfigur mit unglaublich berührender stimmlicher Wärme. Was für eine grandiose Leistung der jungen Mezzosopranistin, die erst letztes Jahr ihr Masterstudium an der Dansh Royal Academy of Music abgeschlossen hatte und nun dem Frankfurter Opernstudio angehört. Man darf auf den Fortgang ihrer Karriere zuversichtlich gespannt sein! Ihr Bühnensohn Sesto wurde durch die immense Eindringlichkeit der Darstellungskraft von Bianca Andrews zum ganz großen Sympathieträger. Wie sie den adoleszenten Jüngling spielte und sang war schlicht grandios. Ein Kompliment auch an die Maske: Wenn man es nicht auf dem Besetzungszettel gelesen hätte - und die Stimme als die einer Mezzosopranistin erkannt hätte - wäre man kaum auf den Gedanken gekommen, dass dieser Jüngling von einer Frau gespielt wurde. Von einem Moment auf den andern wird Sesto ja durch die Ermordung seines Vaters in die Rolle des Rächers katapultiert. Bianca Andrews verstand es hervorragend, diese Dilemmata des Knaben zu transportieren. Nils Wanderer oblag es, die genau entgegengesetzte Rolle zu interpretieren - den Tolomeo, Pharao, minderjähriger Bruder Cleopatras und in aufgezwungener inzestuöser Ehe mit ihr verheiratet. Ein missratener, machtgieriger und charakterlich durch und durch verdorbener Mensch, besessen nur von sich selbst, ohne jegliche Empathie. Seine Stimme allerdings glühte vor Virtuosität in allen Lagen, die dynamische Ausdrucksbandbreite seines Countertenors schien unerschöpflich. Ihm treu ergeben war der Heerführer Achilla - fast bis zum Ende. Viel zu spät erkannte er den abscheulichen Egoismus und die Verdorbenheit Tolomeos. Božidar Smiljanić gestaltete die Rolle mit einnehmendem, agilem Bass. Die Suizidszene war von großer Eindringlichkeit. Aufhorchen ließ der junge Countertenor Iurii Iushkevich mit seinem lichten Timbre als Cleopatra treu ergebener Nireno. Was für ein Versprechen für die Zukunft. Jarrett Porter als Curio wachte sorgsam über Cesare, seinen Herrn. Schade, dass Händel die Rolle nicht mehr ausgebaut hatte; der schön timbrierten Baritonstimme Jarrett Porters hätte man gerne gelauscht.

QUEERE FETISCHPARTY

Wie bereits erwähnt, lässt Nadja Loschky die Handlung in einer  museumsrtigen Flucht von Räumen ablaufen. Das beeindruckende Bühnenbild mit diesen sich horizontal verschiebenden Räumen wurde von Etienne Pluss entworfen. Es ermöglichte erstens schnelle Szenenwechsel und zweitens auch interessante Parallelhandlungen. Absolut genial. Genuso genial wie Nadja Loschkys eindringliche Personenführung, welche die Figuren diese Barockopern zu Menschen aus Fleisch und Blut erweckte, die uns all ihre Befindlichkeiten nahebringen konnten. Leider, leider wurden all diese sorgfältigen Charakterstudien für mein Empfinden durch die Kostüme von Irina Spreckelmeyer unterlaufen: Man fühlte sich mitten in eine queere FETISCHPARTY katapultiert, Thema “Antike”, bei der die Leute trugen, was halt auf die Schnelle gerade aufzutreiben war. Römischer schwarzer Centurion-Lederschurz, kombiniert mit Anzugsjacke (in der auch eine PET- Wasserflasche steckte) für Cesare, Netztop gepaart mit Tutu artigem Rock und Seidenstrumpfhosen für Nireno und Tolomeo kam als perlenbehangene Obertunte daher. Dazu kamen in der Haremsszene noch Tiermasken aus Latex, wie man sie neuerdings in gewissen Fetischkreisen trägt. Diese Kostüme mögen dazu beigetragen haben, dass der Beifall des Premierenpublikums für das Inszenierungsteam am Ende doch von einigen Misfallensbekundungen begleitet war.

Einhellig dafür der Applaus und die vielen Bravi-Rufe für die Sängerinnen und Sänger und natürlich für das wunderbar fein und subtil aufspielende Frankfurter Opern- und Museumsorchester (bereichert mit Cembalo. Orgel. Gambe, Laute, Harfe. Block- und Traversflöte) unter der Sorgfalt und Sicherheit ausstrahlenden Leitung von Simone di Felice. 

Inhalt: 

Giulio Cesare hat seinen politischen Widersacher Pompejus besiegt und trifft umjubelt in Alexandria ein. Dort trifft er auf Pompejus' Sohn Sesto und dessen Mutter Cornelia, um sich mit ihnen zu versöhnen. Doch in diesem Moment bringt Achilla das Haupt von Pompejus, der in Ägypten Schutz gesucht hatte. Tolomeo, der Bruder Cleopatras, hatte diesen Mord in Auftrag gegeben, um damit Cesare im Kampf um den ägytischen Thron auf seine Seite zu ziehen. Cornelia bricht zusammen und Sesto schwört Rache. Cesare ist über die brutale Ermordung seines Gegners entrüstet. Cleopatra will nun Cesare auf ihre Seite ziehen, Tolomeo hingegen will auf den Rat von Achilla hin auch Cesare ermorden lassen. Er verspricht Achilla als Lohn die Hand von Cornelia. Cleopatra verkleidet sich als Dienerin und bittet den um Pompejus trauernden Cesare um Hilfe für ihr Land. Tolomeo gibt ein Fest und lädt auch Cesare ein, um ihn während der Feierlichkeiten ermorden zu lassen. Cesare ahnt die Finte und entfernt sich heimlich. Cornelia und Sesto dringen uneingeladen in Tolomeos Palast ein und beschuldigen Tolomeo des Mordes an Vater und Ehemann. Sie werden jedoch überwältigt, entwaffnet und in den Kerker (Cornelia ins Serail) geworfen. Achilla verspricht Cornelia Hilfe, wenn sie seine Gemahlin werde. Sie weist das Angebot entrüstet von sich. 

Cesare kommt in Cleopatras Gemächer. Sie ist immer noch als Dienerin verkleidet, doch als ihr Getreuer  Nireno hereinstürzt und berichtet, dass Mörder nahen, die Cesare umbringen wollen, gibt sie sich als Cleopatra zu erkennen und weist Cesare einen Fluchtweg: Er stürzt sich aus einem Fenster direkt ins Meer. Tolemeo und Achilla werben nun jeder für sich um Cornelia. Sesto wurde unterdessen von Nireno befreit und versucht Tolemeo zu töten. Er wird jedoch erneut überwältigt. Achilla fordert nun seinen Lohn, nämlich Cornelia, da Cesare ja nun tot sei und er seinen Auftrag erfüllt habe. Tolomeo lehnt seine Bitte ab. Achillo wechselt das Lager, er tritt nun auf Cesares Seite und befreit Sesto.

Tolomeo hat Cleopatras Truppen und ihre römischen Verbündeten besiegt und lässt seine Schwester in Ketten legen. Cesare konnte sich aus dem Meer retten. Er beobachtet, wie der tödlich verwundete Achilla Sesto seinen Siegelring (und damit die Befehlsgewalt über die ägyptischen Truppen) übergibt. Sesto reicht den Ring an Cesare weiter.

Cleopatra ist von Tolomeo zum Tode verurteilt worden. Cesare dringt ins Zeltlager Tolomeos ein und befreit die Geliebte. Tolomeo wird in der Schlacht von Sesto getötet. Cleopatra wird unter dem Jubel des Volkes zur Königin ausgerufen. An ihrer Seite steht Giulio Cesare … .

Werk:

1710 erklang erstmals Musik von Händel in London, wenige Jahre später zog Händel definitiv nach London, übernahm zusammen mit dem Schweizer Heidegger ab 1719 das King's Theatre. Für jede Saison komponierte Händel ein bis zwei Opern und es gab Wiederaufnahmen seiner früheren Werke. Nach dem wirtschaftlichen Zusammenbruch des Theaters (auch weil diese italienischen Opern aus der Mode gerieten) verlegte Händel des Schwerpunkt auf das Komponieren von Oratorien. GIULIO CESARE IN EGITTO kam 1724 heraus und wurde eine der zu seiner Lebenszeit am häufigsten gespielten Opern des “göttlichen” Händel. Auch die Renaissance von Händels Opern ab 1920 wurde in Deutschland von GIULIO CESARE IN EGITTO eingeläutet. Diese Oper ist von all den fast unzähligen Werken (nach neueren Berechnungen hat er mehr komponiert als Bach und Beethoven zusammen) des grossen Barockkomponisten seine reichhaltigste: Überaus farbig instrumentiert, mit grandios die Charaktere umreissenden Arien für die Protagonisten und gar einem zusätzlichen Bühnenorchester für die Parnass-Szene (Verführungs- und Liebesszene) im zweiten Akt. Die Titelrolle in der Uraufführung am King's Theatre sang der Star-Kastrat Senesino.

Karten

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